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Festansprache Ingbert Liebing, MdB, im Rahmen des Rückkehrerappells der Sanitätssoldaten

der Einsatzkontingente des Balkans (KFOR/EUFOR) und Afghanistans (ISAF) auf dem Marktplatz in Friedrichstadt am 1. Dezember 2008

Liebe Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes!

Es ist mir eine große Freude und Ehre zugleich, heute anlässlich der Rückkehr der Einsatzkontingente des Sanitätsdienstes vom Balkan und aus Afghanistan zu Ihnen, Ihren Familien, Freunden und Bekannten, Ihren militärischen Vorgesetzten und den zahlreichen Repräsentanten des öffentlichen Lebens sprechen zu dürfen. Vor allem freue ich mich, Sie alle wohlbehalten aus dem Auslandseinsatz in die Heimat zurückgekehrt begrüßen zu können.

Ich empfinde es als ein ausgesprochen gutes Zeichen, diesen Appell in aller Öffentlichkeit, hier in Friedrichstadt auf dem historischen Marktplatz, abzuhalten – nicht nur wegen der malerischen Kulisse, sondern auch, um ein öffentliches Zeichen des Dankes für Ihren Einsatz zu setzen. Sie haben dies verdient.

Ihr persönlicher Auslandseinsatz ist Ausdruck des Wandels unserer Bundeswehr. Sie wird seit einigen Jahren immer stärker von den Auslandseinsätzen bestimmt. Die Bundeswehr ist im Wandel, in der Transformation, von einer Verteidigungsarmee in eine Einsatzarmee. Derzeit befinden sich ca. 6.100 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, die große Mehrheit davon in Afghanistan (3.350) und im Kosovo (2.220), also in den Einsatzgebieten, in denen Sie, liebe Soldatinnen und liebe Soldaten des Sanitätsdienstes, gerade bis zu 4 Monaten, in Einzelfällen auch länger, für unser Land "ihren Mann“ bzw. „ihre Frau“ gestanden haben.

Dass Sie alle unbeschadet aus dem Einsatz zurückgekehrt sind, ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Allein in Afghanistan haben 30 deutsche Soldaten seit 2002 bei Anschlägen und Unfällen ihr Leben gelassen. Es ist gut und richtig, dass jetzt zu ihrem Gedenken ein Ehrenmal in Berlin, im Bendler-Block des Bundesverteidigungsministeriums, errichtet wird, für das der Verteidigungsminister in der vergangenen Woche den Grundstein gelegt hat. Etliche sind verwundet worden, teilweise schwer. Sie werden davon ihr Leben lang äußerlich gezeichnet sein. Von den inneren, den seelischen und emotionalen Verletzungen und Wunden ganz zu schweigen. Die gehen sicherlich über die Zahl der Verwundeten hinaus.
Aber wem erzähle ich das? Als Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes waren Sie ja unmittelbare Zeugen vor Ort. Sie haben durch Ihr couragiertes und engagiertes Eingreifen die akute medizinische Versorgung der bei Anschlägen und Unglücksfällen verwundeten Kameraden sichergestellt. Es werden sich aus eigenem Erleben Bilder in Ihrem Gedächtnis eingebrannt haben, die Sie noch lange Jahre begleiten werden. Ich wünsche Ihnen, dass diese Bilder nicht zu Belastungen werden mögen.

Aber ich denke in dieser Stunde auch an Ihre Familien, die Ehefrauen, –Männer, Freundinnen und Freunde. Die Eltern und Geschwister. Sie werden manche bange Nacht hinter sich haben.
Und welche Gedanken gehen ihnen durch ihren Kopf, wenn sie Bilder von Anschlägen in Kunduz oder anderenorts in Afghanistan im Fernsehen sehen?

Da liegt die Frage nach dem Sinn des Einsatzes auf der Hand, die Sie sich sicherlich mehrfach gestellt haben, die aber auch wir Politiker uns immer wieder stellen: Was machen die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr da eigentlich weitab vom Heimatland auf dem Balkan, am Hindukusch oder auch in anderen Einsatzgebieten und wofür und für wen machen sie das eigentlich?
Diese berechtigten Fragen möchte ich Ihnen beantworten als ein Abgeordneter, der in gut drei Jahren im Parlament manchmal mit Bedenken, aber am Ende dann doch bisher allen Auslands- bzw. Einsatzmandaten zugestimmt hat:

Ein wesentliches Ziel der freien nationalen Staaten- und Wertegemeinschaft, in der die Bundesrepublik Deutschland eine gewichtige Rolle spielt, ist die Bewahrung von Freiheit, Sicherheit und Stabilität ihrer Staaten und vor allem ihrer Bürger. Doch diese Freiheit und Sicherheit sind kein Geschenk der Natur. Sie werden immer wieder gefährdet, wie z. B. nach dem Zerfall von Jugoslawien direkt vor unserer Haustür hier in Europa, durch überwiegend ethnische und religiös motivierte politische Konflikte auf dem Balkan. Oder durch gezielte terroristische Aktionen, wie sie von Afghanistan aus als Rückzugs- und Vorbereitungsraum des internationalen Terrorismus immer wieder gezielt initiiert wurden (Ich erinnere an den 09. September!!!). Bombay hat uns das vor wenigen Tagen wieder mit Nachdruck gezeigt.

Stabilität lässt sich am besten bewahren, wenn man die Instabilität dort in ihren Wurzeln bekämpft, wo sie entsteht, damit sie gar nicht erst zu uns exportiert werden kann.

Deshalb verfolgt Deutschland mit seinem unfangreichen zivil-militärischen Engagement in den Krisengebieten drei Ziele, nämlich

die Verbesserung der Lebensverhältnisse der betroffenen Bevölkerung
die Gewährleistung der regionalen Stabilität und Sicherheit und – last but not least –
die Verteidigung deutscher Sicherheitsinteressen.

Und dies geschieht in enger Abstimmung und Kooperation mit anderen, verbündeten Staaten, die gleiche oder ähnliche Ziele verfolgen. So sind die Einsätze der Bundeswehr als Teil eines umfassenden, vernetzten Ansatzes zu verstehen, zu dem sich Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft z. B. auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen oder im Rahmen des NATO – Bündnisses verpflichtet haben. Das Mittel zur Realisierung, auch zur militärischen Absicherung des zivilen Wiederaufbaus eines geschundenen, zerstörten Landes, sind und bleiben nun mal die Streitkräfte, also Sie liebe Soldatinnen und Soldaten, die dies zu Beginn Ihres Dienstes feierlich gelobt oder geschworen haben.

Welchen Beitrag jedes Land in und bei welchem Einsatz leistet, hängt von seinen Fähigkeiten, seinen Mitteln und vor allem von seinen von der Gesellschaft getragenen politischen Willen ab. Jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr steht also unter Parlamentsvorbehalt, ist soweit eine politische Entscheidung, um die häufig vehement und kontrovers gerungen wird.

Aber diese Entscheidungsprozesse sind offen, transparent, für die Öffentlichkeit nachvollziehbar. Alle Abstimmungen über die Mandate finden namentliche statt, d. h. im Plenarprotokoll wird das Abstimmungsverhalten eines jeden Abgeordneten zu diesen Einsätzen veröffentlicht. Öffentlicher Diskurs und Rückhalt in der Bevölkerung für Ihre Einsätze sind mir sehr wichtig. Gerade dies hat der Bundespräsident zu Recht in der vergangenen Woche mit aller Deutlichkeit eingefordert. Dies ist für mich im Übrigen auch einer der Gründe für mein entschiedenes Eintreten für die Wehrpflicht: Sie stellt ein enges Band zwischen Bundeswehr und Bevölkerung dar.

Ich habe viele kontroverse Debatten auf hohem Niveau auch in der eigenen Fraktion erlebt. Wir machen uns die Entscheidung nicht leicht. Und wir machen sie uns deshalb nicht leicht, weil wir damit eine hohe, eine sehr hohe Verantwortung für Sie tragen. Zu dieser Verantwortung gehört auch, den Soldaten im Einsatz die notwendigen Mittel, Ausrüstung und Fahrzeuge, an die Hand zu geben, die vor allem Ihrer Sicherheit dienen sollen. Der Deutsche Bundestag hat sich gerade in der vergangenen Woche noch einmal mit diesem Thema im Rahmen der Haushaltsberatungen befasst.

Wir entsenden Sie in einen „Einsatz für den Frieden“. Aber es ist wahrlich kein friedlicher Einsatz, auch keine „bewaffnete Entwicklungshilfe“. Es sind Einsätze, in denen Ihr Leben oder Ihre Gesundheit auf dem Spiel stehen. Dieser Verantwortung, die wir für Ihren Einsatz tragen, sind wir uns sehr wohl bewusst. Wie stark Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sind, davon habe ich mich bei einer ganzen Reihe von Truppenbesuchen und bei Gesprächen mit Ihren Kameradinnen und Kameraden, auch hier in der Nachbarschaft in Seeth beim Lazarettregiment, überzeugen können. Ich blicke mit Hochachtung auf die Art und Weise, wie Sie diesen besonderen Herausforderungen der Auslandseinsätze gerecht werden. Dies fordert Respekt und Anerkennung ab, die ich Ihnen gern aus voller Überzeugung heute abstatten möchte.

Liebe Soldatinnen und Soldaten des Sanitätsdienstes!

Mit Ihrem Einsatz habe Sie sich um unser Land, um unsere Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, verdient gemacht. Dafür schulden wir Ihnen Dank und Anerkennung, die ich Ihnen heute gern überbringe.


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

 

www.ingbert-liebing.de

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