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Plenarrede zum Stammzellengesetz

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode, 14. Februar 2008

Herr Präsident / Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!

Seit dem 1. Juli 2002 gilt das Stammzellengesetz. Es erlaubt - unter strengen Bedingungen - den Import und die Verwendung embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken. Eine dieser Bedingungen lautet, dass nur embryonle Stammzellen nach Deutschland importiert werden dürfen, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden (Stichtagsregelung).

Aus der Sicht des Jahres 2008 sind diese Bedingungen veraltet. Inzwischen gelten viele dieser Stammzelllinien als nicht mehr für die Forschung geeignet. Forscher bemängeln, diese Zellen seien zu alt und führten zu Fehlern in den Versuchen. Zudem wird die deutsche Forschung mit dem aktuellen Gesetz zunehmend international isoliert. Deshalb beraten wir heute in einer großen Debatte über Chancen und Risiken einer Lockerung der Regelungen und die Anpassung des Gesetzes an veränderte äußere Rahmenbedingungen. Diese Angelegenheit ist von großer Bedeutung für

  • viele Menschen, die bislang nicht wirksam behandelt werden können und
  • die biomedizinische Forschung am Standort Deutschland .

Nach reiflicher Überlegung und Abwägung aller Für und Wider habe ich mich entschlossen, mich dem Antrag mit dem Titel „Entwurf eines Gesetzes für eine menschenfreundliche Medizin – Gesetz zur Änderung des Stammzellgesetzes“ anzuschließen, der vor allem von Katherina Reiche, Ulrike Flach und Rolf Stöckel erarbeitet wurde. Mit diesem Antrag verbindet sich die überparteiliche Initiative, deutschen Wissenschaftlern Zugang zu allen vorhandenen Stammzelllinien in der Welt zu verschaffen und die Forschungsfreiheit von ihrer „willkürlichen Fesselung“ (Zitat K. Reiche) zu befreien. Dabei geht es um die vorhandenen Stammzelllinien – nicht um das gezielte Erzeugen von Stammzelllinien für Zwecke der Forschung. Das entsprechende Verbot im deutschen Recht steht für mich nicht zur Disposition. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Stichtag im Stammzellgesetz gestrichen wird und somit die entsprechende Forschung an embryonalen Stammzellen dauerhaft freigegeben wird. Eine Verschiebung des Stichtages wird aus meiner Sicht in fünf Jahren wieder zu ähnlichen Problemen führen. In diesem Punkt ist unser Antrag konsequent und ehrlich. Ferner tritt dieser Antrag dafür ein, dass zukünftig Strafandrohungen gegen deutsche Wissenschaftler bei Beteiligung an Kooperationsprojekten mit ausländischen Kollegen unterbleiben.

Es ist ausdrücklich nicht mein Ziel, die Substanz des Gesetzes aufheben. Importiert werden dürfen auch weiterhin nur Zellen, die es bereits gibt; auch in Zukunft wird kein Embryo für die Forschung in Deutschland gezeugt und getötet. Der Staat hat die Verantwortung zur Bewahrung menschlichen Lebens, das gebietet unser Grundgesetz. Daraus ergibt sich für mich auch die Pflicht, die Erforschung medizinischer Therapien zu ermöglichen. Von der Forschung an embryonalen Stammzellen erhoffen wir uns Fortschritte bei der Entschlüsselung menschlicher Krankheiten und der Linderung menschlichen Leidens.

Niemand hier im Saal wird abstreiten können, dass die deutsche Forschung bisher verantwortungsbewusst mit dem 2002 verabschiedeten Gesetzeskompromiss umgegangen ist.

Schlussendlich streben wir einen Forschungsstand an, an dem wir keine Stammzellen mehr brauchen. Bis es soweit ist, möchte ich mich zum Ende meine Beitrages einer Forderung meiner Kolleing Ulrike Flach anschließen: Sie plädiert für eine „Ethik des Heilens“. Dabei möchte ich einen Gegensatz zwischen einer „Ethik des Heilens“ und einer „Ethik des Lebensschutzes“ nicht gelten lassen. Auch das Heilen von Krankheiten dient dem Schutz des Lebens. In diesem Sinne halte ich die Nutzung von Chancen medizinischer Forschung, die ethische Schranken akzeptiert, nicht nur für akzeptabel, sonder auch geboten.


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