Ingbert Liebing (CDU/CSU): Integriertes Küstenzonenmanagent - kurz: IKZM - will Konflikte lösen, die durch verstärkte Nutzungsansprüche an unsere Küsten und Meere entstehen. Das klingt für viele von Ihnen hier sicherlich wie Fachchinesisch - besonders für die Kolleginnen und Kollegen aus den Wahlkreisen, die mehr Berge als Küste haben.
Die Europäische Kommission definiert IKZM als "einen dynamischen und kontinuierlichen Prozess, durch den Entscheidungen für eine nachhaltige Nutzung und Entwicklung sowie den Schutz der Küsten einschließlich ihrer Ressourcen getroffen werden". Auf Basis einer Empfehlung der Europäischen Union oblag es den Nationalstaaten bis März dieses Jahres, der EU eine nationale Strategie hierfür vorzulegen. Zielsetzung ist dabei, den Küstenbereich als ökologisch intakten und wirtschaftlich erfolgreichen Lebensraum für die Menschen zu erhalten und zu entwickeln. Damit leistet IKZM zugleich einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Umsetzung der Lissabonstrategie.
Da mag der Eindruck entstehen, als hätten wir es hier mit einem vollkommen neuen Denkansatz zu tun. Weit gefehlt - IKZM ist nichts Neues! Ein holländischer Küstenschutzexperte in schleswig-holsteinischem Landesdienst hat bei einer Euregio-Konferenz aller Bürgermeister der Inseln und Halligen im Wattenmeer von Texel bis Fanö IKZM so definiert: "Das ist das, was ihr Inselbürgermeister seit langem Tag für Tag macht. Ihr seid die richtigen Küstenzonenmanager, indem ihr Interessenausgleich an der Küste organisiert."
Und genau darum geht es bis der Entwicklung unserer Küstenregionen. Es geht um Interessenausgleich zwischen ökologischen und ökonomischen Belangen, zwischen Küstenschutz, Naturschutz, Tourismus, Schifffahrt, Energiegewinnung, Hafenwirtschaft, Landwirtschaft oder Fischerei. Ich habe selbst als Vorsitzender der Euregio "Die Watten" im Wattenmeerforum mitarbeiten dürfen, in dem Entscheidungsträger verschiedener staatlicher Ebenen und regionaler Interessenorganisationen von Holland bis Dänemark Szenarien einer nachhaltigen Entwicklung und Strategien für deren Umsetzung erarbeitet haben. Sie sollen ein gutes ökologisches Schutzniveau wahren und gleichzeitig die wirtschaftliche Entwicklung der Region gewährleisten können. Das ist praktiziertes IKZM!
IKZM stellt den integrativen Ansatz in den Mittelpunkt, bei dem der Wirtschaftsraum Küste eine zentrale Rolle spielt. IKZM darf nicht - wie manchmal falsch verstanden oder befürchtet - als ökologisches Planungsinstrument dienen. Mein wichtigstes Anliegen bei diesem Thema ist, dass die Küstenregionen auch als Raum gesehen werden, wo Menschen leben und arbeiten; Räume, die große ökonomische Chancen bergen. Es ist gut, dass dies unter Federführung des Umweltministeriums nicht außer Acht gelassen wird. Das ist die Abkehr dieser Bundesregierung von früherer rot-grüner, einseitiger Umweltbürokratie.
Wenn ich sage, die nationale IKZM-Strategie beruht auf einer EU-Empfehlung, riecht das für viele zunächst nach neuer Bürokratie. Und auch ich sage: Achtung! Wir müssen aufpassen, dass kein neues Bürokratiemonster geschaffen wird. Uns Deutschen wird gerne ein Hang zum Perfektionismus nachgesagt. Wenn ich sehe, dass Deutschland ein 90 Seiten starkes IKZM-Strategiepapier vorlegt, während die Niederländer - wie ich höre - mit einer 20-seitigen bunten Broschüre auskommen, möchte ich vor Unverhältnismäßigkeit warnen. Ich will nicht sagen, dass das eine besser ist als das andere. Mir ist nur wichtig - und das haben wir auch in unseren Antrag aufgenommen -, dass sich die Bundesregierung im Rahmen der zukünftigen Weiterentwicklung von IKZM dafür einsetzt, den informellen und unbürokratischen Charakter dieser Kooperation beizubehalten. Nur so kann auch in Zukunft das Potenzial von IKZM voll genutzt werden, ohne dabei unnötige Bürokratie zu schaffen. Das ist auch wichtig, um die Menschen an den Küsten mitzunehmen, die IKZM mit Leben erfüllen und umsetzen sollen.
Integrativer Ansatz von IKZM bedeutet zugleich, dass wir benachbarte Politikbereiche einbeziehen: Ich komme gerade von einer internationalen Konferenz in Kiel, bei der über das Grünbuch zur Meerespolitik der EU diskutiert wurde. Dort wurde deutlich, wie wichtig es ist, IKZM in einem Zusammenhang mit der gesamten Debatte um die künftige europäische Meerespolitik zu bringen. Auch hier geht es um eine integrative Meerespolitik, die alle unterschiedlichen Interessen einbezieht. Grünbuch, IKZM, Meeresstrategierichtlinie, Meeresschutzpolitik, maritime Politik und maritime Wirt-schaft - all das müssen wir als Einheit sehen. Mit zunehmender Dichte, Intensität und Vielfalt der Nutzungsanforderungen steigen auch die Erfordernisse einer umfassenden Betrachtung.
Die Bundesregierung hat mit der Vorlage der nationalen IKZM-Strategie einen ersten Schritt getan. Meine Fraktion begrüßt diesen Strategiebericht ausdrücklich. Aber mit der Erstellung eines schönen Berichts ist das Thema nicht am Ende. Wichtig sind jetzt die Umsetzung und der Prozess einer kontinuierlichen Fortentwicklung. Dazu wollen wir mit unserem Antrag der Koalitionsfraktionen einen Beitrag leisten.
Ingbert Liebing, MdB
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