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Rede zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallrechts

Deutscher Bundestag, 17. Wahlperiode, 28. Oktober 2011

Vizepräsidentin Petra Pau:

Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ingbert Liebing für die Unionsfraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ingbert Liebing (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den vergangenen Monaten ist in Deutschland ein heftiger Konflikt geführt worden, bei dem insbesondere über die Besorgnisse in den Kommunen diskutiert wurde, über die Frage, ob ihrer Verantwortung als entsorgungspflichtige Körperschaften ausreichend Rechnung getragen wird. Dies zog sich wie ein roter Faden auch durch die heutige Debatte. Ich möchte diesen Punkt in den Mittelpunkt meiner Betrachtung zum Abschluss dieser Debatte stellen, um mit einigen Irrtümern und Fehldarstellungen aus der Opposition aufzuräumen.
Es wurde über Europarecht gestritten und Rosinenpickerei befürchtet. All dies hat jetzt ein gutes Ende, denn es ist uns, der Koalition, und der Bundesregierung gelungen, einen Kompromiss zu finden, den wir ins Gesetz
aufnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei liegt es bei einem Kompromiss in der Natur der Sache, dass alle Beteiligten nicht zu 100 Prozent zufrieden sind. Uns liegen unterschiedlichste Stellungnahmen vor, auch aus der privaten Entsorgungswirtschaft: Die einen betonen eher ihre Kritik und Unzufriedenheit, andere aber sagen: „Jawohl, das ist ein Ergebnis, mit dem auch wir leben können.“ Für mich ist es entscheidend – das ist ein Wert, den wir schätzen sollten –, dass sich die vier kommunalen Spitzenverbände ausdrücklich zu diesem Kompromiss bekennen. Das ist ein Fakt, den auch die Opposition zur Kenntnis nehmen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir tragen dem Europarecht Rechnung. Gewerbliche Sammlungen bleiben grundsätzlich möglich. Es gibt kein generelles Verbot gewerblicher Sammlungen, was manche von uns erwartet hatten. Wir müssen zugleich feststellen, dass der bisherige Zustand unbefriedigend war: Über die Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen
wurde trefflich vor Gericht gestritten; es gab unterschiedlichste Gerichtsurteile quer durch die Republik.
Da war es unsere Aufgabe und unser Ziel, Rechtssicherheit herzustellen.

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Da warten wir mal ab! Da wollen wir mal gucken!)

Das haben wir jetzt mit dem Kompromiss erreicht. Jetzt gibt es klare Regelungen, wann gewerbliche Sammlungen zugelassen werden können. Rosinenpickerei wird rechtssicher ausgeschlossen. Die kommunale Verantwortung bleibt gesichert. Das, meine Damen und Herren, nenne ich einen fairen Interessenausgleich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gewerbliche Sammlungen können untersagt werden, wenn zum Beispiel die Gebührenstabilität gefährdet ist
– ein wichtiges Kriterium – und die kommunalen entsorgungspflichtigen Körperschaften bereits ein flächendeckendes, hochwertiges, haushaltsnahes Sammlungssystem gewährleisten. Sie können auch dann untersagt werden – das ist mir wichtig –, wenn Kommunen konkret in die Planungen für ein hochwertiges Sammlungssystem eingetreten sind.

(Bettina Hagedorn [SPD]: Da freuen sich die Rechtsanwälte! – Gegenruf von der CDU/CSU: Jetzt freuen Sie sich doch mal!)

Denn wenn wir das nicht mit aufgenommen hätten, dann könnte ja der Fall eintreten, dass eine Kommune oder ein Landkreis gerade Beschlüsse gefasst hat und in ein Ausschreibungsverfahren eingetreten ist und dann ein Privater kommt und versucht, in attraktiven Einzelregionen Sonderverträge mit Großkunden abzuschließen. Dann würde die Kalkulationsbasis gefährdet. Auch dies schließen wir aus.
Meine Damen und Herren, wir bleiben bei dem Anzeigeverfahren und gehen nicht zu einem aufwendigeren
Genehmigungsverfahren über. Aber wir erweitern die Frist von vier Wochen auf drei Monate. Das gewährleistet den notwendigen Spielraum für eine sorgfältige Prüfung. Wir verzichten auf die Einrichtung einer sogenannten neutralen Stelle. Wir vertrauen darauf, dass die Bundesländer am ehesten entscheiden können, welche zuständige Behörde nach Landesrecht die Beurteilungen im Anzeigeverfahren vornehmen kann. Da hier wieder einmal das Gespenst der Gebührenerhöhung aufgrund der Umsatzsteuerpflicht an die Wand gemalt wurde, möchte ich ausdrücklich auf Folgendes hinweisen: Uns liegt die Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums vor. Diese ist für uns eine wichtige Grundlage, die zeigt, dass es mit dieser Entscheidung, mit diesem Kompromiss, mit diesem Gesetz keine Veranlassung dafür gibt, jetzt in eine Umsatzsteuerpflicht einzusteigen. Wenn Sie etwas anderes behaupten, dann ist das nichts anderes als eine gezielte Verunsicherung gerade der Kommunen. Meine Damen und Herren, das sollten Sie einmal sein lassen!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Die Verunsicherung machen Sie!)

Wir reden heute über das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Im nächsten Jahr werden wir über die Wertstofftonne
sprechen. Wir sind offen für gleichwertige Systeme. Wir haben über die bayerischen Wertstoffhöfe gesprochen, aber es gibt auch andere innovative Ansätze, zum Beispiel in der Region Trier. Dann werden wir die Diskussion über kommunale Verantwortung und privatwirtschaftlichen Wettbewerb noch einmal führen

(Ulrich Kelber [SPD]: So, so!)

Wir wollen dies in einem Gesetz regeln, da sind wir wieder mit im Boot. Weil wir es beim Kreislaufwirtschaftsgesetz geschafft haben, in diesem Bereich einen guten Interessenausgleich und Kompromiss zu finden, bin ich sehr zuversichtlich, dass uns dies im nächsten Jahr auch bei der Wertstofftonne gelingen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Das Gesetz wird nach dem Bundesrat dann schon ganz anders aussehen!)

Ich möchte einen persönlichen Rat anfügen: Das Thema eignet sich meiner Auffassung nach nicht für einen
Grundsatzstreit, Kollege Miersch sprach hier von einer ideologischen Auseinandersetzung zwischen Privat
und Staat. Ich selbst komme aus einem Landkreis, der auf der Basis einer kommunalen Ausschreibung die Hausmüllentsorgung privatwirtschaftlich organisiert. Dies ist im vergangenen Jahr nach der ersten Erfahrungsperiode wieder bestätigt worden. Auch diese privaten Unternehmen, die Dienstleister für die Kommunen sind, die beauftragten Dritten, brauchen einen gewissen Schutz in einem fairen Wettbewerb. Die Regelungen, die wir im Rahmen unseres Kompromisses getroffen haben, dienen also nicht nur den Kommunen, sondern auch den privaten Unternehmen, die im Auftrag von Kommunen tätig sind und handeln. Denn es kann auch nicht sein, dass eine Kommune Leistungen ausschreibt und nachträglich die Kalkulationsgrundlagen verändert. Wir schützen auch diese, oft genug mittelständischen, Unternehmen. Auch deshalb ist dies ein guter und sinnvoller Kompromiss.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hatte einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Aber kein Gesetzentwurf ist so gut, dass er im Parlament nicht noch verbessert werden könnte. Dies haben wir mit der Unterstützung des Umweltministeriums in der vergangenen Woche erreicht. Ich möchte Minister Norbert Röttgen ausdrücklich Lob und Anerkennung aussprechen; denn ich weiß aus vielen Gesprächen, dass es auch ihm persönlich ein Herzensanliegen gewesen ist, hier zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Unser Gesetz schafft die Voraussetzung für eine bürgerfreundliche, ökologisch hochwertige und kostengünstige Abfallentsorgung. Unser Gesetz sichert kommunale Interessen, schafft einen fairen Wettbewerb dort, wo er möglich ist, und bietet Rechtssicherheit. Dies ist ein guter Gesetzentwurf, dem wir mit gutem Gewissen zustimmen können – auch Sie als Opposition. Herzlich willkommen!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Mit gutem Gewissen, das glaube ich Ihnen nicht!)

 


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