Rede zur Beratung der Anträge:
Ingbert Liebing (CDU/CSU):
Ein altbekanntes Sprichwort sagt: „Was lange währt, wird endlich gut.“ Ich hoffe sehr, dass wir genau das auch bald über die EU-Chemikalienverordnung REACH sagen können, denn die Beratungen sind in diesen Tagen in die Schlussphase gekommen. Im Jahr 2001 nahm dieses größte und umfassendste Gesetzesvorhaben der Europäischen Union seinen Anfang. Seither sind die Kommission, das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten mit all ihren Gremien und nicht zuletzt hunderte nationaler und internationaler Interessengruppen mit den Verhandlungen, der Ausarbeitung, den Neuverhandlungen und nicht enden wollender Kompromissfindung beschäftigt. Oft genug schien es, als seien Umwelt-, Gesundheits- und Wirtschaftsaspekte einfach nicht auf einen Nenner zu bringen und es stellte sich die Frage, ob sich die EU mit diesem Jahrhundertgesetzeswerk nicht schlicht und ergreifend übernommen hätte. Zu undurchdringlich schien das Geflecht unterschiedlicher und gegensätzlicher Interessen. Aber Ende vergangenen Jahres hat es der EU-Wettbewerbsrat unter tatkräftiger Mitwirkung der neuen deutschen Bundesregierung trotzdem geschafft, einen ausgewogenen, sehr tragfähigen Kompromiss zu REACH auszuhandeln. Den meisten Kritikpunkten konnte hierbei zur Zufriedenheit der meisten Beteiligten Rechnung getragen werden.
Nun liegt es – das ist offensichtlich – in der Natur eines Kompromisses, dass nicht jeder jedes seiner Anliegen in Gänze verwirklicht sehen wird. Ein guter Kompromiss zeichnet sich dadurch aus, dass alle Beteiligten den Verhandlungstisch mit dem Gefühl verlassen, das Beschlossene mittragen zu können. Der Gemeinsame Standpunkt des Wettbewerbsrats ist ein solch guter Kompromiss.
Die Koalitionsfraktionen legen mit ihrem Antrag ein klares Bekenntnis zu diesem Gemeinsamen Standpunkt ab. Indem wir heute über unsere Position abstimmen, möchten wir ausdrücklich ein Signal für die Schlussverhandlungen in der EU absenden, gerade nach dem für meine Fraktion äußerst unbefriedigenden Ergebnis im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments. Lassen Sie mich an dieser Stelle ein paar Punkte nennen, in denen der Gemeinsame Standpunkt des Rates eine grundlegende Verbesserung der Verordnung gegenüber früheren Entwürfen bedeutet.
Wir haben erreicht, dass die Zulassung von Stoffen nicht generell befristet wird. Ich bin der Auffassung, dass die ursprünglich vorgesehene Befristung auf fünf Jahre vor dem Hintergrund, dass es die Europäische Chemikalienagentur realistisch geschätzt schaffen wird, etwa zehn bis 15 Stoffe pro Jahr zu bearbeiten, ein bürokratischer Irrsinn ist. Bei circa 150 Stoffen, die das Zulassungsverfahren durchlaufen müssen, würde gerade ein Drittel der Stoffe geschafft sein, wenn die ersten Zulassungen auslaufen und das Verfahren neu beginnen muss. Das Verfahren gemäß Gemeinsamem Standpunkt ermöglicht eine nochmalige Überprüfung nach einer im Einzelfall festzulegenden Frist, wenn – und nur dann – Informationen darauf hindeuteten, dass eine Gefährlichkeit für Umwelt und Gesundheit besteht. Die Genehmigung kann in diesem Fall bei der Erkenntnis, dass eine solche Gefahr besteht, widerrufen werden. Das nenne ich eine vernünftige Lösung.
Wir haben erreicht, dass in größerem Maße neben der Menge eines Stoffs auch die Gefährlichkeit und dessen Exposition berücksichtigt werden. Mit dem Gemeinsamen Standpunkt wurden Verwendungs- und Expositionskategorien als wichtiges Kommunikationsmittel in der Verordnung verankert. So sollen sich der Umfang der bei der Registrierung anzugebenden Daten sowie die Informationspflichten in der Lieferkette weitergehend an der Verwendung des Stoffes und seiner Exposition orientieren. Damit sind die aus REACH erwachsenden Pflichten vor allem auch für mittelständische Unternehmen handhabbar.
Im Bereich der Zulassung hat der Wettbewerbsrat erreicht, dass über die Gefährlichkeit eines Stoffes als Bewertungsmaßstab hinaus bei der Zulassungsentscheidung insbesondere die sichere Handhabung in Form der adäquaten Kontrolle des Risikos eines sehr gefährlichen Stoffes zur Grundlage gemacht wird. Wenn ein gefährlicher Stoff sich in einem geschlossenen und sicheren Stoffkreislauf befindet, kann auch allein die theoretische Substitutionsmöglichkeit noch kein Grund für das Versagen der Zulassung sein. Das hätte dann mit einem sinnvollen Schutzszenario für Umwelt und Gesundheit wenig zu tun.
Ingbert Liebing, MdB
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