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Rede zur Chemikalienpolitik

(2/2) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode, 09. November 2006

Wir haben erreicht, dass für Stoffe in der produktbezogenen Forschung und Entwicklung die Meldepflichten erheblich vereinfacht werden und Forschungsprogramme bei der Notifizierung nicht mehr vorzulegen sind. Wenn wir Innovation wollen, dürfen wir das Potenzial hierfür nicht hemmen, indem wir die zur Verfügung stehenden Stoffe minimieren und Forschungskosten und Zeitaufwand immens erhöhen.

Die ursprünglich vorgesehenen Informationspflichten haben Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen in inakzeptabler Art und Weise gefährdet. Wir haben erreicht, dass der Know-how-Schutz verbessert wird, indem sensible Unternehmensdaten vertraulich bleiben können. Nur so können auch langfristig faire Wettbewerbsbedingungen gewährleistet werden. Auch dieser Punkt ist besonders wichtig für die Schlussverhandlungen im Europäischen Parlament, da der Umweltausschuss in Brüssel wettbewerbsgefährdende Belastungen für die Wirtschaft beschlossen hat, die es jetzt zu verhindern gilt.

Ich könnte diese Liste fortsetzen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Punkte, die wir gerne anders geregelt gesehen hätten. So konnte zum Beispiel mit dem Gemeinsamen Standpunkt für die Registrierung von Stoffen mit Jahresmengen zwischen zehn und 100 Tonnen keine wesentliche Erleichterung bei den Testanforderungen erreicht werden. Diese treffen besonders kleine und mittelständische Unternehmen. Bei den Testanforderungen hätten wir uns auch im Interesse eines besseren Tierschutzes mehr gewünscht; dies bleibt ein Thema für die weitere praktische Umsetzung von REACH. Die Eindämmung der Registrierungskosten für kleinvolumige Stoffe wäre ein weiterer Wunsch für die zweite Lesung im Europäischen Parlament gewesen. Aber auf der Grundlage des Gemeinsamen Standpunkts besteht nun die Chance, das Verfahren nach sehr langwierigen Verhandlungen kurzfristig abzuschließen. Bei dieser Aufgabe den Gemeinsamen Standpunkt durchzusetzen, dafür hat der Umweltminister die uneingeschränkte Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion.

Damit könnten wir – und das geht ganz besonders an die Adresse der Kollegen und Kolleginnen der Grünen und der Linken – zeitnah beginnen, den Weg eines noch sichereren Umgangs mit chemischen Stoffen zu beschreiten. Sie fordern deutliche Verschärfungen von REACH. Ich sage Ihnen: Daran scheitert REACH, und dann wird es weniger statt mehr Umwelt- und Gesundheitsschutz geben, als wir heute haben. Nur mit dem Kompromiss des Gemeinsamen Standpunkts können wir für diese und kommende Generationen ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt gewährleisten. Der Gemeinsame Standpunkt war ein ausgewogener Kompromiss zwischen dem ursprünglichen Verordnungsvorschlag der Kommission und der Position des Europäischen Parlaments aus erster Lesung. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hat nun aber den Gemeinsamen Standpunkt wieder weiter verschärft. Die gefundenen und mit großer Mehrheit verabschiedeten Vorschläge zur Registrierung sowie zum Schutz von Betriebsgeheimnissen wurden abgelehnt. Das Zulassungsverfahren wurde massiv weiter verschärft. Es geht nun nicht mehr um die sichere Verwendung eines Stoffs, sondern nur noch um Verbote bestimmter Stoffgruppen, selbst dann, wenn es keinen geeigneten Ersatz gibt. Die Befristung der Zulassung auf fünf Jahre wurde wieder auf den Tisch gebracht, ungeachtet der Unmöglichkeit einer praktischen Umsetzung. Wo bleibt da die Vereinbarkeit der eigentlichen Ziele von REACH, nämlich Gesundheits- und Umweltschutz zu verbessern und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu befördern?

Die zweite Lesung im Europäischen Parlament steht kurz bevor. Hinter den Kulissen brodelt es. Manchmal sieht es so aus, als könne REACH an dieser Stelle noch scheitern. Wir haben es also noch nicht geschafft. Deshalb halte ich es für ausgesprochen wichtig, dass wir vor dieser zweiten Lesung ein entsprechendes Signal nach Brüssel senden. Der Gemeinsame Standpunkt ist ein fairer und tragfähiger Kompromiss. Umwelt und Gesundheitsschutz werden im Vergleich zum Status quo erheblich aufgewertet und auch die chemische Industrie, die anfangs mit großer Skepsis auf REACH reagiert hat, kann sich mit den jetzt gefundenen Regelungen arrangieren. Jetzt ist es an uns, den Gemeinsamen Standpunkt, der in nicht unerheblichem Maße ein deutscher Standpunkt ist, auch zu vermitteln. Wer glaubt, das Paket nochmals aufschnüren zu können, hat schon verloren. Ein wiederholtes Aufschnüren des gefundenen Kompromisses würde bedeuten, dass eine Einigung in weite Ferne rückt. Die Konsequenz wäre, dass Hunderte von Altstoffen langfristig unregistriert blieben. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Deshalb muss der Deutsche Bundestag sich nachdrücklich für die Beibehaltung des Gemeinsamen Standpunkts als Grundlage für die zukünftige Ausgestaltung von REACH aussprechen. Das können wir heute tun, indem wir den Antrag der Regierungsfraktionen beschließen. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

Ingbert Liebing, MdB

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